Kultur der Urbanität. Die dichte Stadt im 20. Jahrhundert von Wolfgang Sonne

Wolfgang Sonne: Urbanität und Dichte im Städtebau des 20. Jahrhunderts
DOM Publishers, Berlin 2014
ISBN 9783869223216
Gebunden, 360 Seiten, 98,00 EUR

„Die Historiografie des Städtebaus im 20. Jahrhundert konstatiert üblicherweise zwei revolutionäre Brüche: der erste besteht in der Abkehr von der traditionellen dichten Stadt des 19. Jahrhunderts durch die antiurbanen, landschaftsbetonenden Modelle der Avantgarde wie Ebenezer Howards „Garden City“ (1898), Bruno Tauts „Auflösung der Städte“ (1920), Le Corbusiers „Il faut tuer la rue corridor“ (1925), Frank Lloyd Wrights „Broadacre City“ (1935) oder Hans Scharouns „Stadtlandschaft“ (1946); der zweite wird markiert durch die Rückkehr der Postmoderne zu traditionellen Stadtformen und -konzepten wie in Aldo Rossis „Architettura della città“ (1966), Rob Kriers „Stadtraum in Theorie und Praxis“ (1976), Andres Duanys Seaside und der Bewegung des New Urbanism (ab 1980) oder Joseph Paul Kleihues‘ Internationaler Bauausstellung in Berlin und der „kritischen Rekonstruktion“ (1984/87).

Entgegen dieser Revolutionsmythen – meist getragen von den Helden der jeweiligen Entwicklung selbst – lässt sich ebenso eine Geschichte zeichnen, in der Vorstellungen einer urbanen „dichten Stadt“ das ganze 20. Jahrhundert hindurch verfochten und verwirklicht wurden.[2] Der Begriff der dichten Stadt definiert sich nicht allein durch die numerische Bevölkerungsdichte, sondern bezieht eine Reihe kultureller Aspekte mit ein, die bei den jeweiligen Planungen eine Rolle spielten, wie:

  • Mischung von Funktionen
  • Soziale Integration
  • Gebäudedichte
  • Öffentliche Plätze
  • Architektonisch definierte Räume
  • Architektur mit urbanem Charakter
  • Beachtung typologischer und regionaler Traditionen
  • Kulturelle Auffassung von Stadt

Die These lautet deshalb: Städtebau im 20. Jahrhundert war nicht allein von den avantgardistischen Stadtauflösungstendenzen dominiert, er war ebenfalls nicht allein von revolutionären Brüchen geprägt. Vielmehr fanden das ganze Jahrhundert heftige Diskussionen zwischen „Urbanisten“ und „Desurbanisten“ statt, bei denen zu keiner Zeit eine Partei die alleinige Herrschaft reklamieren konnte. Urbanisierung und Urbanität erscheinen vor diesem Hintergrund in einem neuen Licht. Sie sind weit weniger radikalen Wechseln unterworfen, die meist durch historische Daten der politischen, ökonomischen oder sozialen Geschichte markiert werden. Vielmehr erweist sich die dicht gebaute Stadt als überraschend resistent gegen politisch, ökonomisch oder sozial motivierte Wechsel, wie auch das Stadtleben, die kulturelle Urbanität, eher ein Phänomen der longue durée denn der saisonalen Mode ist. “ weiterlesen

Wolfgang Sonne: Kultur der Urbanität. Die dichte Stadt im 20. Jahrhundert, in: H-Soz-u-Kult, 13.09.2006

 


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