Ehrenfriedhof Barmen

Familiengrab

Im September 1914, wenige Wochen nach Beginn des Ersten Weltkrieges, wurde der Barmer Ehrenfriedhof (3ha) an der damaligen Kohlen- und heutigen Lönsstraße angelegt. Vorausschauend hatten die „Stadtväter“  mit vielen Toten gerechnet, die in heimischer Erde bestattet werden sollten. Ein ungewöhnliches, jenseits aller Heldenromantik gestaltetes Werk des Barmer Stadtbaurates Heinrich Köhler. Die architektonische Gestaltung zeich­net einen Kirchengrundriss nach. In anderer Architektur wurde der Ehrenfriedhof 1916 in den Barmer Wald erweitert.

Der Barmer Ehrenfriedhof muste im Laufe des Jahrhunderts mehrfach erweitert werden: So folgten Gräber für Kriegsgefangene,­ Kapp-Putsch-Opfer, Gefallene des Zweiten Weltkriegs und ausländische Zwangsarbeiter.

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Die Denkmäler Löwenskulptur, Sämann und Sterbender Krie­ger schmücken die einheitlichen Grabanlagen.

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Buslinie 646   Ehrenfriedhof

Rede zum Volkstrauertag 2014

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Gegenüber Denkmälern für die Opfer eines Krieges gibt es im allgemeinen zwei Erklärungsversuche: Auf der einen Seite jene Sicht , die diese Monumente als Zeichen der Verarbeitung von Trauer, von traumatischen Kriegserlebnissen interpretiert, auf der anderen Seite jene Betrachtungsweise, die diese Denkmäler als Teil eines politischen Totenkultes sieht, der die Gefallenen für die Ziele der Überlebenden vereinnahmt.

Ähnliches gilt für  Ehrenfriedhöfe, besonders mit Blick auf den sogenannten „Deutschen Heldenhain“, der von dem Preußischen Gartenbaudirektor Willy Lange Ende 1914 als neue Gedenkform für die gefallenen Soldaten entwickelt worden war: Jeder Gefallene einer Gemeinde solle seine Eiche erhalten, die für ihn neu gepflanzt wäre. Hier ist es für die einen eine kulturwissenschaftlich interessante, wenn auch gärtnerisch problematische Gestaltungsform, für die anderen ein Beispiel für ein borniertes nationalistisches Denkmalskonzept.

Diese Gedankenspiele lassen jedoch vergessen, dass in Europa fast jede Familie vom Verlust wenigsten eines jungen Mannes betroffen war. Man übersieht auch, dass in der Bevölkerung der Wunsch entstand, den Gefallenen möglichst ein würdiges Einzelgrab zu geben und denen, die durch den Einsatz moderner Kriegstechnologie nicht mehr identifiziert werden konnten oder den vielen,  die in anonymen Massengräbern auf  den Schlachtfeldern verscharrt wurden, zumindest ein Andenken in der Heimat zu geben.

Über das Motiv, warum im September 1914 die Stadt Barmen als eine der ersten Gemeinden im Rheinland beschloss, einen Ehrenfriedhof anzulegen, geben die städtischen Archivdokumente hinreichend Auskunft. Wenige Monate nach Kriegsausbruch sollten erst einmal die in den Lazaretten der Stadt verstorbenen Soldaten beigesetzt werden. Doch schnell wurde klar, dass viele Tote folgen würden. Die ersten Bestattungen fanden hier schon am 24. September 1914 statt, zuvor hatte man die Gefallenen in der nahe gelegenen Ruhmeshalle aufgebahrt. Vor dem Tod waren alle gleich. Es sollte kein Unterschied von Konfession und Dienstrang gemacht werden. Dies war durch eine spezielle Begräbnisordnung geregelt und wurde in der Belegung und der gleichförmig typografischen Gestaltung der Grabplatten aus Bronze realisiert.

Ehrenfriedhof Barmen Feldpostkarte 1916

Initiator des Ehrenfriedhofes war der Barmer Stadtbaurat Heinrich Köhler, der mit seinem Team, dem Stadtbauinspektor Dr. Richard Lipp und dem städtischen Architekten Jacob Richard Fischer-Ludwigsen nicht nur die Konzeption und Planung, sondern auch die Realisierung in kürzester Zeit auf einem vom Barmer Verschönerungsverein geschenkten Waldgrundstück bewerkstelligte.

Wenn man an die Gräber des Ersten Weltkrieges wie denen bei den Schlachtfeldern an der Somme  denkt – mit ihren Abertausenden von weißen Kreuzen, soweit das Auge reicht – ist der Ehrenfriedhof in Barmen ein geradezu anheimelnder, intimer Ort. Er ist in Konzeption und Gestaltung wirklich einzigartig und geht nicht, wie selbst in aktuellen Publikationen immer wieder behauptet, auf den Berliner Gartenbautheoretiker Willy Lange zurück . Der Barmer Friedhof wurde chronologisch vor der Veröffentlichung des zum nationalen Vorbild werdenden Heldenhain-Konzeptes Willy Langes in Angriff genommen; beide haben gemeinsam, dass sie auf Denkmustern der Reformbewegung beruhen, die die Waldfriedhöfe propagierte.

Das Heldenhain-Konzept wurde nach der erstmaligen Veröffentlichung im Dezember 1914 in der „Gartenwelt“  von der Bevölkerung wie von der Regierung euphorisch aufgenommen. Bis heute wird es international auf wissenschaftlicher Ebene interpretiert, während  ganz zu Unrecht der großartige  Entwurf eines bescheidenen städtischen Beamten selbst in Wuppertal bis heute unbekannt geblieben ist.

Den kreisförmigen, auf  die Naturverbundenheit der Germanen anspielenden Anlagen Langes stellte Heinrich Köhler eine Grundrissordnung gegenüber, die an eine Kirche mit Langschiff, Querschiff und Chor  erinnert. Erst in später angelegten Erweiterungen im oberen Teil des Friedhofes fanden die Ideen Willy Langes Eingang.

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Die Handschrift Heinrich Köhlers finden wir auch in der Gestaltung des Herzstückes der Friedhofsanlage, dem auf hohem Sockel thronenden „Bergischen Löwen“.  Nach dem Beschluss der Baukommission im Juli 1915 beauftragte er ohne Umschweife den in Wannsee lebenden Elberfelder Bildhauer Paul Wynand. Für einen künstlerischen Wettbewerb blieb keine Zeit.  Wynands  Spuren  finden wir heute noch in Wuppertal oder auf Schloß Burg,  aber er war  auch Schöpfer der Figuren des Brunnens am Tölleturm oder der Figuren vor dem Planetarium, die nicht mehr existent sind. Der vielbeschäftige Schüler Rodins schuf ein Geschichtsdenkmal, kein Kunstdenkmal. Als Bildhauer war er eher dem 19. Jahrhundert verhaftet in einer Zeit, in der der Expressionismus  schon längst die Kunstwelt, gerade im  von fortschrittlichen Sammlern wie August von der Heydt geprägten Wuppertal,  erobert hatte.

Kein monarchisch-preußischer Adler – wie man sonst erwarten könnte – steht hier über allem. In Anlehnung an das Wappentier der Herzöge von Berg ist Wynands „Bergischer Löwe“  eine figurative Darstellung des Symbols von Mut und Kraft, Stolz – und  bürgerlichem Selbstbewusstsein einer reichen, wirtschaftlich bedeutenden Großstadt. Seine Monumentalität erhält das Werk erst durch den überdimensionalen Sockel und seinen exponierten Standort dort, wo sonst der Altar in dieser imaginären Kirche  stehen würde.

Diese regionale, nicht nationale Identität stiftende Darstellung ist bemerkenswert neutral gegenüber dem in diesen Jahren im Reich herrschenden militärdiktatorischen System. 1916 erst als vergoldeter Steinguss aufgestellt, wurde die erste Version 1922 durch den jetzigen, bronzenen Löwen ersetzt.

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Die Inschrift auf dem Sockel stammt aus diesem Jahr. Sie wurde von dem zu dieser Zeit als Heimatdichter geltenden Will Vesper, der später lyrische  Lobgesänge auf Adolf Hitler zum Besten gab, verfasst.

So möchte ich nicht Vesper, sondern Friedrich Ebert, den ersten Präsidenten der Weimarer Republik,  zum Abschluss zitieren: „Es soll der Geist der Toten lebend bleiben in uns allen, im ganzen deutschen Volke. Es ist heute der Ruf hinausgegangen an das deutsche Volk, unseren Toten ein würdiges Denkzeichen zu errichten. Aber darüber hinaus wollen wir dem Gedächtnis unserer Toten und unserer Opfer ein Denkmal bauen, dauernder denn Erz: das freie Deutschland.“

In seinen Worten zum 10. Jahrestag des Kriegsausbruches erkennt man den Wunsch, das Gedenken an die Toten zur Einigung der politisch zersplitterten deutschen Bevölkerung im Sinne der Weimarer Republik, des „freien Deutschland“ zu nutzen. Aber man muss Friedrich Ebert auch als trauernden Vater von zwei gefallenen Söhnen sehen. Sein Beispiel zeigt, dass die Aspekte politische Botschaft und private Trauer zusammengehören und nicht voneinander zu trennen sind, wie es heutzutage manchmal getan wird.

Heike Ising-Alms

Ehrenfriedhof mit bergischem Löwen

Quellen zur damaligen Diskussion der Konzepts „Heldenhain“:

  • Lange, Willy, Der Krieg und die Gärtnerei. In: Die Gartenwelt 18.42 (1914): 522-524
  • Lange, Willy, Heldeneichen und Friedenslinden. In: Die Gartenwelt 18.52 (1914): 632-633
  • Deutsche Heldenhaine, hrsg. im Auftrag. …von Willy Lange, Leipzig (J.J. Weber Verlag) 1915, 112 S.
  • Engelhardt von, Deutsche Heldenhaine I. In: Die Gartenkunst 29.2 (1916): 30-31
    Inhalt:  Überblick zu dem Anliegen von Lange, Willy, KGBD, jedem gefallenen Krieger ein Ehrenmal mittels einer Eiche zu setzen. Erstmals publiziertes Konzept in Tägliche Rundschau vom 8.12.1914. Bezug auf Lange, Willy. Deutsche Heldenhaine. Leipzig: J.J. Weber, 1915. Es finden sich hierin ergänzende Ausführungen von Pastor, Willy; Speck, Joh.; Moeller (Eberswalde). Verf. stört einerseits der Pathos der Schrift, andererseits die mangelnde Verwirklichungsgrundlage.
  • Heicke, Die Hauptversammlung 1916 der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst. In: Die Gartenkunst 29.9 (1916): 117-119 (115-138)
    Inhalt:  Encke, KGBD, Köln mit einem Vortrag über „Heldenhaine“. Bezug auf eine Idee von Lange. „Anschließend an den Hain sollen große Spielplätze angelegt werden, welche die Jugend zu kräftigenden Leibesübungen und vaterländischer Erziehung vereinigen“ (118). Vortragender zeigt auf, daß der Vorschlag Langes aus vielen technischen Gründen ungeeignet ist, plädiert daher für andere, weniger schematische Formen der Kriegerehrung. Insgesamt aber bringt Encke viel Sympathie für die Idee auf.
  • Eimler, Arthur, Zeit- und Streitfragen: Kriegerverehrung und Heldenhaine. In: Die Gartenwelt 21.35 (1917): 375-376

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